AWS Germany – HAQM Web Services in Deutschland

Vom Sensor in die Cloud: Retrofitting von Maschinen mit IO-Link und AWS

Retrofitting mit IO-Link-Sensoren [extern] ist eine einfache Möglichkeit, um Maschinen ohne digitale Schnittstellen an die Cloud anzubinden. Das Nachrüsten mit sekundären Sensoren (engl: retrofitting oder secondary sensing), kann eine unkomplizierte und preisgünstige Lösung sein, um den Maschinen neue digitale Fähigkeiten zu verleihen. So können Sie durch Daten neue Einblicke in Prozesse bekommen, ohne tiefgreifende Änderungen an den vorhandenen Maschinen einzugreifen.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten durch moderne Sensorik

Sensoren mit dem IO-Link-Standard sind für Retrofitting eine sehr gute Wahl. Sie sind einfach in der Handhabung und am Markt in zahlreichen Ausführungen erhältlich. Die große Auswahl and verschiedenen Sensor- und Aktortypen kann so viele neue Anwendungsfälle ermöglichen, selbst unter extremen Bedingungen. Für nahezu jeden physikalischen Parameter einer Maschine gibt es einen geeigneten Sensor. Einige Beispiele wie die verschiedenen Sensortypen in der Praxis angewendet werden:

  • Produktionsprozesse überwachen: Laser-, Kapazitive-, Ultraschall- oder Radarsensoren erkennen Anwesenheit oder messen Füllstände und können auch zum Zählen genutzt werden.
  • Qualität sichern: Vision-Sensoren prüfen Bauteile auf Vollständigkeit und Maßhaltigkeit oder Oberflächenbeschaffenheit.
  • Produktivität steigern: Sensoren und Aktoren können beim Produktwechsel neue Parameter erhalten, Lichtschranken und Näherungssensoren können die Steuerung von Förderbändern optimieren.
  • Wartung optimieren: Beschleunigungs- und Vibrationssensoren oder induktive Geschwindigkeitsmesssensoren liefern Daten für KI-gestützte Anomalieerkennung und ermöglichen vorausschauende Wartung (engl: Predictive Maintenance).
  • Produkte tracken: RFID-Sensoren (Radio Frequency Identification) dokumentieren Durchsatz und Bewegungen von Produkten.
  • Anlagen überwachen: Temperatursensoren können Probleme in thermischen Systemen frühzeitig erkennen. Sie können zum Beispiel ungewöhnliche Erwärmungen feststellen, die auf Defekte hinweisen. Außerdem werden Drucksensoren verwendet, um Leckagen zu entdecken.
  • Nachhaltigkeit verbessern: Strommesssensoren helfen Maschinen im Leerlauf zu erkennen und den Energieverbrauch zu verstehen. Andere Sensoren wie z.B. thermische Massendurchflusssensoren messen den Druckluftverbrauch und können die Grundlage für Optimierungen sein.

Schnelle Implementierung mit AWS-Services und Pepperl+Fuchs Technologie

Dieses Tutorial zeigt, wie Sie innerhalb von 30 Minuten IO-Link-Sensoren mit der AWS Cloud verbinden können. Am Beispiel eines Entfernungssensors demonstrieren wir, wie Sie Zeitreihendaten mit AWS IoT SiteWise erfassen und analysieren können. Der Hauptdienst, den wir hier verwenden, ist AWS IoT SiteWise. Das ist ein spezieller Cloud-Service für industrielle Daten mit zahlreichen Funktionen

  • Automatisierte Datenspeicherung
  • Flexible Visualisierungsmöglichkeiten
  • Intelligente Metrikberechnung
  • Proaktives Alarmmanagement
  • KI-gestützte Anomalieerkennung

Auf der Hardwareseite ist das Herzstück unserer Lösung das IO-Link Starter Kit von Pepperl+Fuchs [extern]. Der enthaltene IO-Link Master kann eigenständig, das heißt ohne weitere Steuerung, operieren und verfügt über

  • Acht Ein- und Ausgänge für Sensoren und/oder Aktoren
  • Integriertes Webinterface: ohne zusätzliche Software konfigurieren
  • Robuste IP67-Schutzklasse: eignet sich für den direkten Einsatz in Industrieumgebungen, alternativ ist auch eine Variante für die Schaltschrankmontage erhältlich
  • Umfangreiche Protokollunterstützung: neben MQTT und OPC UA werden auch die klassischen Industrieprotokolle PROFINET, Ethernet/IP und MODBUS TCP unterstützt

Im Lieferumfang des Kits sind neben der Stromzufuhr und den benötigten Kabeln zudem drei verschiedene Sensoren enthalten: ein Abstandssensor, ein RFID-Sensor sowie ein Induktionssensor. Damit lassen sich erste IoT-Anwendungen unmittelbar starten und verschiedene Messszenarien testen. Abgesehen vom Kaufpreis fallen für die Hardwarenutzung keine weiteren Kosten an.

Architektur

      1. Datenerfassung
        1. IO-Link-Sensor erfasst Messwerte
        2. IO-Link-Master überträgt Daten per MQTT
      2. Cloud-Einbindung
        1. AWS IoT Core authentifiziert den IO-Link Master und ermöglicht eine sichere Anbindung der IoT Sensor an die Cloud.
        2. Regelbasierte Weiterleitung der Daten an SiteWise
      3. Datenmodellierung und Speicherung in SiteWise
        SiteWise ordnet die Daten einem virtuellen Abbild der realen Maschine (einer sogenannten Komponente, engl. Asset) zu. Komponenten können hierarchisch angeordnet werden, wodurch nicht nur eine Gliederung, sondern auch die Berechnung komponentenübergreifender Metriken möglich ist. Neben der erfassten Zeitreihe verwenden wir exemplarisch drei weitere Attributtypen:

          • Attribut ‘location’: z.B. Standortinformationen (statisch)
          • Attribut ‘distance’: Rohmesswerte (in mm)
          • Attribut ‘transform’: Automatische Umrechnung der Zeitreihendaten in Meter
          • Attribut ‘metric’: Rollierende Durchschnittsberechnung (2-Minuten-Fenster, also eine Aggregierung der Daten)Datenmodellierung in AWS IoT SiteWise. AWS IoT SiteWise ordnet die Daten einem virtuellen Abbild der realen Maschine (einer sogenannten Komponente, engl. Asset) zu. Komponenten können hierarchisch angeordnet werden, wodurch nicht nur eine Gliederung, sondern auch die Berechnung komponentenübergreifender Metriken möglich ist. Neben der erfassten Zeitreihe verwenden wir exemplarisch drei weitere Attributtypen:

Diese Architektur bietet einen einfachen und komfortablen Einstieg in das Thema.

Ausbaumöglichkeiten

Die Architektur lässt sich flexibel erweitern. Einige Beispiele für Erweiterungen sind im folgenden Diagramm abgebildet. Diese sind:

Tutorial: Implementierung der IoT-Lösung

AWS-Umgebung

Für dieses Tutorial benötigen Sie einen AWS-Account mit entsprechenden Berechtigungen. Die Demo nutzt die AWS CLI und AWS CloudFormation.

Hardware-Komponenten

Das Tutorial nutzt folgende Komponenten des Pepperl+Fuchs Starterkits

  • IO-Link Master (Modell: ICE3-8IOL-G65L-V1D)
  • Distanzsensor (Modell: OMT550-R200-2EP-IO-V1)

Kostenhinweis für AWS-Services

Für die in diesem Tutorial verwendeten AWS-Dienste fallen Kosten an. Um unnötige Ausgaben zu vermeiden, empfehlen wir, nach Abschluss des Tutorials alle erstellten AWS-Ressourcen zu löschen sofern Sie diese nicht weiter nutzen wollen.

AWS Setup

    1. Konfigurieren Sie die AWS CLI für eine Region, dieses Tutorial nutzt ‚eu-central-1‘ ( Frankfurt), mit entsprechenden Berechtigungen. Um die Ressourcen zu erstellen benötigen Sie Berechtigungen für folgende Services
    2. Klonen sie das Projekt http://github.com/aws-samples/retrofitting-with-io-link [extern] auf Ihren PC. Gerne dürfen Sie auf github auch Fragen oder Anregungen kommunizieren.
    3. Wechseln Sie in den Ordner des Projekts, dort finden sie im Ordner demo-setup eine Cloudformation Vorlage (io-link-demo-resources.cfn.yaml) und ein Skript (deploy.sh) zur Provisionierung der Vorlage. Die Vorlage enthält alle für das Tutorial benötigten Ressourcen der obigen Architektur.
    4. Der folgende Befehl startet das Skript welches die in der Vorlage enthaltenen Ressourcen als CloudFormation Stack provisioniert.
cd demo-setup
sh ./deploy.sh -o c # c = create, u = update, t = delete
cd –
  1. Sie können die Stack-Erstellung in der CloudFormation-Konsole beobachten.
  2. Ist das Skript beendet, so hat es das Zertifikat und den privaten Schlüssel in dem Ordner /cert des Projektverzeichnis heruntergeladen und außerdem den zu verwendenden IoT-Endpunkt im Terminal ausgegeben.

Tipp: Für Produktivszenarien sollten Sie in Erwägung ziehen, einen eigenen Domainnamen für den Endpunkt zu erstellen.

Pepperl+Fuchs ICE Einrichtung

  1. Laden Sie IODD des Distanzsensors von der iodd-finder.com [EN, extern] Website herunter.
  2. Verbinden Sie den Master mit Ihrer Stromversorgung und dem Netzwerk. Schauen Sie in die Handbücher der Kabel und Stromversorgung, falls Sie weitere Hinweise benötigen. Diese finden Sie auf der Pepperl+Fuchs Handbuch Webseite.
  3. Verbinden Sie den Abstandssensor mit Port 1 des Masters.
  4. Öffnen Sie die Weboberfläche des Masters durch Eingabe der IP-Adresse in Ihrem Browser. Die zu verwendende IP ist auf dem Gerät aufgedruckt. Falls die Standard-IP in Ihrem Netzwerk nicht verwendet werden kann, lesen Sie im Handbuch des Geräts nach, wie Sie die Standard-IP ändern können.
  5. Laden Sie die heruntergeladene IODD .zip-Datei auf Master hoch.
  6. Konfigurieren Sie die Netzwerkparameter wie folgt
  7. Aktivieren Sie MQTT
    Das erforderliche Zertifikat und der Schlüssel befinden sich im ./demo-setup/cert Ordner des Projekts, der im Rahmen der Ausführung des deploy.sh Skripts erstellt wurde. Der erforderliche IoT-Endpunkt wird ebenfalls vom Skript ermittelt und ausgegeben.

Validieren

Öffnen Sie den MQTT Test Client in der AWS Konsole.
Stellen Sie sicher, dass Sie sich in der richtigen Region befinden. Sie müssen sich in der Region befinden, welche Sie im Rahmen des CLI Setups festgelegt haben.
Wählen Sie die Option ‚Thema abonnieren‘ und verwenden Sie iolinkdata/ice3/port/1/pdi als Themenfilter.
Sie sehen nun die eingehenden Sensordaten:

In der AWS IoT Sitewise Console können die eingehenden Werte nun ebenfalls beobachtet werden.

Alternativ kann auch über die Sitewise API, z.B. via AWS CLI eine Abfrage gestartet werden.
Diese AWS CLI basierte Abfrage fragt z.B. die historischen Werte der letzten 5 Minute ab.

time_now=$(date +%s)
five_minutes_before=$((time_now - (5 * 60)))

aws iotsitewise get-asset-property-value-history \
--property-alias "iolinkdata/ice3/port/1/pdi" \
--start-date $five_minutes_before \
--end-date $time_now

Stack Löschen

Zum Löschen des Stacks können Sie den folgenden Befehl ausführen

cd demo-setup
sh ./deploy.sh -o t

Fazit: Effizientes Retrofitting mit IO-Link und AWS

Lernen Sie in diesem Tutorial einen praxiserprobten Ansatz zur Modernisierung Ihrer Industrieanlagen kennen. Durch die innovative Kombination von IO-Link-Technologie und AWS-Services erschließen Sie sich wichtige strategische Vorteile:

Wirtschaftliche Hardware-Modernisierung
Durch die Nachrüstung vorhandener Anlagen mit IO-Link-Komponenten lassen sich kostspielige Neuinvestitionen vermeiden. Dank standardisierter Verkabelung und einfacher Integration lässt sich die Implementierung schnell ohne größere Eingriffe in bestehende Systeme durchführen

Verbesserte Prozessüberwachung
Die kontinuierliche Erfassung von Prozess- und Zustandsdaten schafft neue Möglichkeiten für Prozessoptimierung und vorausschauende Wartung. IO-Link liefert dabei nicht nur Messwerte, sondern auch wichtige Diagnosedaten der Sensoren selbst.

Zukunftssichere Cloud-Architektur
Die AWS-Services bilden das flexible Fundament für skalierbare IoT-Anwendungen. Die verwalteten Dienste minimieren den Wartungsaufwand und ermöglichen eine schrittweise Erweiterung – von der einfachen Datenerfassung bis hin zu KI-gestützter Prozessoptimierung.

Dieser Ansatz ermöglicht einen kostengünstigen und risikoarmen Einstieg in die Industrial IoT-Welt, der sich flexibel an wachsende Anforderungen anpassen lässt.

Sie möchten diese Lösung in Ihrem Unternehmen implementieren? Wir beraten Sie gerne.

Über die Autoren

Marco Strauß ist Senior Solutions Architect bei HAQM Web Services (AWS) und spezialisiert sich auf Fertigungslösungen. Er begleitet Unternehmenskunden bei vollständigen Implementierungen – von Sensoren in der Werkshalle bis hin zu skalierbaren Cloud-Architekturen. Sein vielseitiger technischer Hintergrund ermöglicht es ihm, umfassende Lösungen zu entwickeln, die Betriebstechnologie (OT) mit IT-Systemen verbinden und dabei modernste KI-Technologien einbinden. Marco arbeitet mit Organisationen zusammen, um deren digitale Transformationsinitiativen zu beschleunigen, wobei er das umfangreiche Angebot an AWS-Diensten nutzt, um Fertigungsprozesse zu modernisieren.
Ralf Ammon ist Principal EMEA IoT Go-To-Market Specialist bei HAQM Web Services (AWS) für Zentral- und Osteuropa. Er unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung ihrer IoT-Anwendungen in der AWS Cloud und bringt dabei über 15 Jahre Erfahrung im IoT-Bereich ein – von frühen M2M-Lösungen bis zu modernen IoT-Implementierungen. Seine Expertise umfasst die Entwicklung von vertikalen Anwendungen für Tracking, Fleet Management und Remote Monitoring, die er sowohl bei einem führenden Mobilfunkanbieter als auch bei einem M2M-Modulhersteller unter Beweis stellte. Mit einem Portfolio von 14 AWS IoT-Services, spezialisierten Partnern und über 800 vorintegrierten Hardware-Komponenten unterstützt er Kunden bei der erfolgreichen Umsetzung ihrer IoT-Strategien.